Damals wie heute

Hab heute eine Doku auf Pitchfork gesehen. (Gibts dort nur für ne Woche zu sehen, also schnell ankucken.) Edit: Woche ist rum. Gibts aber wohl auch – so hab ich gehört – woanders im Netz und dort schon lange und unbegrenzt online. Und Tante Google weiß es natürlich. In viele kleine Häppchen zerteilt, mit Werbung vornedran und auf deutsch synchronisiert … aber da. So wie dort trotzdem nur für geduldige Menschen.

Jedenfalls hat mir der Film gut gefallen. Ich hab selbst „Techno“ gelebt, für einige Jahre. Daher hab ich verstanden, was die meinen und wovon sie sprechen. Größtenteils. War ne schöne Zeit für mich, damals, Mitte/Ende 90er. Schlechte Erinnerungen wurden großflächig rausgefiltert von meinem Hirn. Aber zum Glück gabs da nicht sooo viele, die guten Zeiten überwiegen doch irgendwie schon.

Eigentlich sprechen die im Film ja schon auch über was anderes, über „Techno“ heute, gestern, jedenfalls lange NACH meiner „aktiven“ Zeit. Wie auch immer, mir hats trotzdem gefallen. Oder grade weil? Dieses ganze „Techno als ne Lebenseinstellung“-Gerede kommt mir persönlich aus heutiger Sicht nun zwar arg überzogen vor. Vlt. kam es mir das damals schon, obwohl ich mich ein, zwei Jahre wirklich so gefühlt habe: Techno war mein Leben. Ich hatte keinen Job und einen eher abnormalen Tagesrhythmus, hab in 4/4 geatmet und hab meine liebe zu Vinyl entdeckt. Lustig jetzt, das es heute schon junge Menschen gibt, die sich auf „dieses 90er-Ding“ beziehen. Ich war damals jung, Kurt hatte sich kürzlich erschossen – und ich wollte vor allem eines: feiern.

Plastique
Meine Techno-Karriere war eigentlich (für die Pfalz) ganz klassisch: erste HR3-Clubnights mit Väth oder Fenslau Anfang der ’90er gehört. Erste Dorian-Gray-Besuche. War nix richtig für mich, also schnell der Wechsel zum Omen und zum Freitag mit Sven. Dann jeden Freitag wenns ging im Omen, vorher vlt. noch ein bisschen im XS. Hab angefangen selbst Platten zu kaufen. In Mainz z.B. bei Andy Düx. Oha. Aber es gab ja sonst nix bei uns. Delirium in FFM noch, war aber eigentlich schon zu weit weg. Zweiter Plattenspieler, erstes Mischpult. Erste eigene Partys. Erste „fremde“ Partys mit eigenen Platten beschallt. Erste winzige 15-30-Leute „Club“-Versuche („Hinterhouse“ – kann außer dem Hans niemand kennen). Und das in so nem Dorf „wie wo ich herkomme“ … war schon merkwürdig, teilweise, hatte aber auch nen gewissen Flair. Wir waren anders, wir waren sozusagen „Underground“ und wir wussten, was wir wollten. Flyer habe ich damals selber GEMALT und Dinge mit der Nagelschere ausgeschnitten und aufgeklebt – Computer und Photoshop waren mir noch fremd. Wir haben damals (’94?) mal über 100 Kopien eines handgemachten Flyers IN FARBE durch nen Kopierer von eines Freundes Verwandten gejagt. Er war nicht glücklich – es muss ihn ein Vermögen gekostet haben. Aber ich hab noch irgendwo einen dieser ominösen Handzettel. Mit Rosen druff und Space-Hintergrund. Wie es damals halt schick war. Werde ich später mal suchen.

Dann hatte ich mein Abi verkackt wegen zu viel OMEN und war doch plötzlich „frei“. Keine Schule mehr, aber meine Perspektive verschwommen. Zivi stand noch nicht an – ich dachte damals noch, ich käme vlt. drumrum aufgrund meines Vornamens. Hab oft Briefe an „Frau“ janniz bekommen.


Jedenfalls bin ich dem OMEN und dem Schweiß und dem Sven erst mal treu gebleiben. Love Parade in Berlin, die schöne Parade mit dem Love-Park-Abschluss im Ost-Schwimmbad und ganz verklärten Erinnerungen. Ans Jahr drauf hab ich weniger gute Erinnerungen … Mittlerweile hatte ich mir die ersten Synthies (JUNO!!!) und Drumboxen besorgt und selbst experimentiert mit Klängen. Vertrackte Beats konnte ich immer gut, schräge oder teilweise monströse Klänge auch. Nur mit den Harmonien und dem „arrangieren“ oder mit den Melodien, die ich zwar im Kopf hatte, aber die Tasten nicht kannte: da hats leider nie so hingehauen bei mir. Aber da war der Vasi, sein alter 1040er-Atari und „Kuh“-base von annodazumal.(Er hatte mehrere 3,5-Zoll-Disketten mit draufgemaltem Fleckvieh.) Was hatten wir Spaß mit nem 20-Sekunden-Sampler und nem Korg „Mono/Poly“, den wir beide nicht oder nur ansatzweise verstehen konnten. Und der Vasi hatte ein DX-7 – ja, genau das 80er-Ding – und er hat wirklich kranke Sounds damit machen können und die auch noch nett zusammengebaut. (Nur deshalb hab ich mir später ein DX100 ergattert und heute bin ich stolz drauf. Die frühen, einfachen FM-Sounds mischen sich nach wie vor gut zu analogen Klängen aus den noch älteren Roland-Kisten.)

Dann kam meine Plattenladen-Zeit. Ich saß sozusagen an der Quelle. Konnte Maxis bestellen, die ich gut fand und wenn sie niemand gekauft hat, hab ich sie zum EK bekommen. Oder sie wurden mir vom Gehalt abgezogen. Weshalb ich manche Wochen für den Job im Plattenladen bezahlen musste statt Geld zu verdienen. Aber die meisten Platten hab ich heute noch und es sind einige Perlen dabei.


Mit dem auflegen lief das ne Zeitlang eigentlich ganz gut für mich. Ab und zu Partys (Bosenheim Silvester irgendwann war schlimm. Im Nachhinein, als ich gemerkt habe das mir da echt Platten geklaut wurden. Wer klaut den ne 12″ ohne Hülle? Werde ich niemals verstehen) Und ich hatte mal ne „eigene“ After-Hour in meinem liebsten Laden in Bad Kreuznach damals, im „Blue Marlin“. „House-Alarm“ schimpfte sich das, ging um sechs Uhr morgens los und die wenigen Male, die es stattfand hab ich meistens 5-6-7 Stunden am Stück aufgelegt. DAS MACHTE RICHTIG SPASS. So lange spielt man ja selten bis nie. Wie der Name schon vermuten lässt gabs viel House. War aufm Dorf verpönt – weil: „Schwulenmusik“. Aber es gab dann auch ne ganze Menge Acid-Kram, je früher oder später es wurde – oder/und – oft viel von dem, was man heute „Minimal“ nennen würde. Ohne mich selbst beweihräuchern zu wollen (hab ich eh schon getan): ich war auf eigentlich dem richtigen Weg, damals. Weil es mir einfach gefallen hat und das die Musik war, die ich selber machen hätte wollen. G-Man, Basic-Channel, Rob Hood, Chain Reaction, Plastikman, Studio 1, Hardtrax, so die ein oder andere Peacefrog oder auch DJ Hell, und so weiter und so fort … Nur wusste das noch keiner aufm Dorf. Und auch sonst war das noch nicht so populär wie es mal werden würde. Doch: wäre ich beim Auflegen in meinem Stil geblieben könnte ich heute vlt. ein zwar hörgeschädigter aber reicherer Mensch sein? Schwer zu sagen. Aber wenn ich z.B. die Musik in diesem „Speaking in Code“-Dingens anhöre: ja Mönsch? Hab ich doch damals schon gespielt? Nur wurde weniger gejubelt. Und USA 1994 oder ’95 oder wann ich in S.F. war – war auch gut. Amoeba Records hat mich mit einigem guten versorgt, die liebe Dame von „Anarchic Adjustment“ hat mich in die guten Parties geschmuggelt obwohl ich noch keine 21 war – aber ich hab sie mit Väth-Mix-Tapes bestochen … War das erste mal, das ich jemand wie Kevin „The Master Reese“ Saunderson auflegen gehört habe. Das war schon was. Koze konnte das ne Zeit lang so ähnlich im Pudel-Club. Ach ja …


Jedenfalls hab ich vor zwei Wochen mal wieder mein Korg-Midi-Dingsbums-Microkontrol ausgepackt, ne Ableton-Demo-Version runtergelanden und nun bastele ich auch wieder. Aufm iPhone auch, da machts ebenfalls derbe richtig viel Spaß. Auf kleine, batteriebetriebene Klangerzeugerdinger stand ich schon immer, irgendwie. Aber was man 2010/11 schon alles mit nen Händy anfangen kann? Derbe, Alda, derbe. Zwar sind mir irgendwie einige Dinger wie mein Mackie, der alte Sampler oder die Hohner Hall-Spirale und kistenweise Kabel abhanden gekommen, trotzdem: Juno, 606, 202 und DX100 sind noch am Start + die neuen, digitalen Möglichkeiten, von denen ich vor Jahren nur geträumt habe.

… Und was ein Roman das hier wurde. Und wo ich mich selbst als so „super-früh-hab-ich-schon-minimal-aufgelegt“-gefeiert habe, passen die geposteten Videos für Korinthenkacker sicher gar nicht. Aber macht mir gar nix, erstens war ich aufm Blog Wochenlang still und zweitens liest das eh niemand. Und drittens sind das alles nixdestotrotz sehr gute Tracks, die ich auch heute noch spielen würde, denn sie schlummern alle in meinem Regal. Mal abgesehen von „Ritmo de la noche“.

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2 Gedanken zu „Damals wie heute

  1. Früher war alles besser.

    • janniz sagt:

      Kommt es so rüber? Dann muss ichs wohl noch mal überdenken.

      Früher war zwar alles anders – aber ich bemühe mich trotzdem auch nach vorne zu blicken. Und bediene mich dabei natürlich auch an meinen Erinnerungen oder Erfahrungen. Dafür sind sie doch da? Wäre ja blöd, wenn man alles vergessen würde, oder?

      … und es liest offenbar doch jemand meinen Quark. You never know.

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